aus Bauernstimme 05-2017, Gentechnik S. 17
Der Frühling ist da, bald öffnen die Biergärten. Aber ein kühles, politisch korrektes Pils ist nicht immer leicht zu finden. Der Biermarkt ist hart umkämpft. Der Branchenprimus Anheuser-Busch InBev kommt aus Belgien und führt die Rangliste mit über 20 Prozent des Weltmarktanteils an, gefolgt von SAB Miller aus Großbritannien. Die beiden fusionieren und müssen aufgrund ihrer dann erreichten Größe einzelne Unternehmensteile verkaufen. Auf Platz zwei rückt dann Heineken aus den Niederlanden und auf Platz drei Carlsberg aus Dänemark. Es herrschen also ähnliche Strukturen wie im Lebensmitteleinzelhandel: wenige Große, die einen hohen Anteil am Gesamtumsatz haben. „Allerdings gibt es anzahlmäßig auch noch eine große Vielfalt an Brauereien, alleine in Bayern über 600 Braustätten“, erklärt Susanne Horn, Geschäftsführerin des Bio-Getränkepioniers Neumarkter Lammsbräu. Diese vorhandene Vielfalt nehme gerade sogar zu, so Horn und nennt die Craft-Beer-Bewegung oder den Trend zu besonderen Qualitätsbieren. „Die Konsumenten lernen wieder die Biervielfalt zu schätzen“, kommentiert Horn. Aber es gibt auch dunkle Wolken am Himmel eines differenzierten Biermarktes. Heineken und Carlsberg haben drei Patente auf Braugerste angemeldet und 2016 auch erteilt bekommen. Auf die Aufforderung der Koalition „No patents on seeds“, die Patente zurückzunehmen, teilten sie in einem Brief mit, dass es ihnen mit den Patenten nicht um das Blockieren von Prost Protest! Patente auf natürlich entstandene Eigenschaften von Braugersten erteilt Dritten gehe, sondern darum, „rechtliche Möglichkeiten zu haben und einen Return on Investment zu ermöglichen, wenn diese Gerstensorten Dritten zur Verfügung gestellt werden“.
Würzkochen
Wenn sich hier einzelne Firmen geistige Eigentumsrechte auf Grundbausteine der Ernährung sichern, ist das hochproblematisch“, so
Dawid. Generell würden Patente darauf abzielen, sich über Lizenzgebühren wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Ob die nun patentierten Braugersten tatsächlich zum Einsatz kommen und wie die Patentinhaber beispielsweise höhere Preise oder eingeschränkten Zugriff auf das
Zuchtmaterial durchsetzen, werde sich am Markt zeigen. Zur Patentpolitik gehöre es ja, andere von Neuentwicklungen auszuschließen, zum Beispiel bei technischen Verbesserungen wie energiesparenden Brauverfahren. „Durch Patente können Mitbewerber faktisch von Innovationen ausgeschlossen werden, oder aber es werden die Konditionen diktiert, wann zu welchen Bedingungen die Bauern
Saatgut bekommen, wer anbauen darf, womit weiter gezüchtet werden darf, zu welchen Preisen etc. Bei technischen Erfindungen ist das auch okay, aber Patente auf Lebensgrundlagen sind eine gefährliche Angelegenheit“, so Dawid. Ähnlich sieht es Josef Jacobi, Braugerstenvermehrer aus Borgentreich-Körbecke: „Patente verstärken die Konzentration. Züchter oder Brauer haben keinen – oder nur bedingten – Zugang und können positive Eigenschaften nicht – oder nur unter Auflagen – nutzen. Wenn Brauereikonzerne Patente auf Saatgut haben, dann haben sie die ganze Erzeugung vom Saatgut bis zum Brauprozess unter Kontrolle.“
Unproblematisch
Tatsächlich haben Brauereikonzerne schon in der Vergangenheit Patente auf Braugerste erteilt bekommen. Gerstenzüchter Alexander Strube von Saatzucht Ackermann sieht das – zumindest für den Gerstenmarkt – unproblematisch. So haben ihm zufolge mehrere Gerstenzüchter
mit Carlsberg und Heineken Lizenzverträge auf ein Patent auf das „Nullox 1 Gen“ ausgehandelt. Strube verfolgt die Patentdiskussion und kritisiert, wenn Konzerne Patente als Marktbeherrschungsmittel nutzen, um andere auszustechen.
Aber bei den Bierpatenten sei das anders. „Am Nullox-System können Züchter, aber auch die Brauereiindustrie teilnehmen und Lizenzverträge aushandeln.“ Dann sei das Zuchtmaterial, aber auch die Verwendung der Gerstensorten etc. in der Regel frei verfügbar bzw. man müsse halt dafür Patentgebühren zahlen, so Strube. Allgemein gäbe es nur wenige patentierte Merkmale in der Gerstenzucht, diese Kulturart stehe nicht im Fokus der Konzerne. Zudem funktioniere der Braugerstenmarkt anders. Um mit ihren Eigenschaften eine Verbreitung auf dem Markt zu bekommen und „eine kritische Masse“ zu erreichen, arbeiten die Brauereikonzerne oftmals im Verbund
mit Züchtern. Das „Nadelöhr“ ist das sogenannte Berliner Zulassungsprogramm, das neue Sorten auf Braueigenschaften und Brautauglichkeit prüft. Durchschnittlich kommt alle zwei Jahre eine neue Sorte auf den Markt. Aber erst, wenn bewährte Sorten nicht mehr ertragreich genug sind oder Probleme aufweisen, werden die neuen Sorten in Absprache mit der jeweiligen Brauerei, Mälzerei und den Saatgutvermehrern eingesetzt, weil der Brauprozess sehr fein auf die Sorte abgestimmt werden muss.
Nicht unabhängig
Ruth Tippe von „Kein Patent auf Saatgut“ verfolgt die Patentierungspraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) seit Jahrzehnten kritisch. Im aktuellen Patentbericht zeigt sie, dass immer mehr Patente auf konventionelle Züchtungsverfahren – oder wie hier – sogar zufällige
Mutationen erteilt werden. „Das Mutagenisieren von Pflanzen ist ein altbekannter Vorgang und nichts Erfinderisches. Patente auf Pflanzen, die mit bekannten konventionellen Verfahren erzeugt wurden, sind nicht zu akzeptieren.
Der Sortenschutz wäre das geeignete Schutzsystem“, sagt sie auch im Hinblick auf die von Strube formulierten gemeinsamen Interessen von Züchtern und Brauereikonzernen. Patente stärken ihre Position unverhältnismäßig gegenüber anderen Marktbeteiligten wie den Bauern
und Bäuerinnen oder den kleineren Brauereien. Und das EPA agiert nicht unabhängig. Die Prüfer des EPA beraten Firmen, wie Patentanträge formuliert werden müssen, damit diese auch in Zukunft weitere Monopole auf konventionell gezüchtete Nahrungspflanzen erhalten. Deshalb fordert das Bündnis „Kein Patent auf Bier“, das auch von der AbL und der IG Nachbau unterstützt wird, die Politik auf, endlich eindeutige Regelungen zu schaffen, die Patente auf Pflanzen und Tiere verhindern.
Annemarie Volling,
AbL-Netzwerk gt-freie Regionen